Geschichten aus dem House of Hope

So wie versprochen ein etwas längerer Eintrag. Ich hatte in letzter Zeit ziemlich viel Arbeit weil Stephanies Eltern da waren und sie deswegen frei hatte. Außerdem war eine der Mädchen krank und ich auch. Deswegen war letzte Woche etwas stressig.

Dafür kommt jetzt ein etwas längerer Eintrag.Vielen habe ich ja schon lustige Anekdoten aus dem House of Hope erzählt.

Hier stelle ich jetzt mal eine rein. Vielleicht kommen ja irgendwann mal noch mehr. Wie immer freue ich mich auf eure Kommentare.

 

Ein normaler Arbeitstag im House of Hope

 

Als ich im Büro ankomme werde ich schon mit einem freundlichen „Sabah Ilher“ begrüßt.

Ich antworte und setze mich an meinen Laptop um die Übersetzung von gestern nocheinmal durchzugehen.

Wir unterhalten uns kurz über Stephanies Nachtschicht, dann wendet sich jeder wieder seiner Arbeit zu.

Plötzlich geht die Tür auf und Aiman und Amid kommen herein. Amid lächelt uns an und wirft mir eine Kusshand zu. „Habebe.“ Das heißt soviel wie Darling. Ich lächle ihn an und Aiman erzählt begeistert von seinem Besuch bei den Eltern und fragt mich schließlich ob ich mit ihm und Amid zur Kirche kommen will.

Leider habe ich noch einiges an Arbeit zu tun und das sage ich ihm auch, doch das scheint ihn nicht zu kümmern, denn er nimmt meine Hand und versucht mich vom Stuhl zu ziehen. „Okay, I'll take you.“ „No Aiman, I can't come. I'm working with the girls in the afternoon.“ Einen Moment schaut er enttäuscht drein, doch dann verzieht sich sein Mund wieder zu einem Lachen. „Okay, I'll take you.“ Obwohl ich es nicht will muss ich lachen. Zum Glück werden sie zurück zur Arbeit gerufen und ich komme um eine weitere Erklärung herum.

Als wir zum Mittagessen in den Speisesaal kommen sind die beiden schon da. Amid springt sofort auf, mach eine kleine Verbeugung und gibt mir und Stephanie einen Handkuss. „Habebe.“

Heute haben wir Besuch beim Mittagessen. Ein junger Mann, ein Freund von Sammy, der beim Olivenpflücken hilft.

Wir unterhalten uns über die Ernte und Amid ruft dem jungen Mann, den er zu kennen scheint etwas auf Arabisch zu. Alle fangen an zu lachen und Sammy erklärt, dass er ihn aufgefordert hat mich zu küssen.

„Küss du sie doch.“, schlägt Sammy vor und Amid wird rot. Abwehrend hebt er die Hände. „No, No.“, ruft er und ergreift die Flucht. Am Abend erzählt mir Sammy, dass Amid in später zur rede gestellt hat. „Warum hast du das gesagt, Sammy? Wenn du das nocheinmal machst, bist du nichtmehr mein Freund.“

Nach dem Mittagessen gehe ich nach oben zu den Mädchen. Ich freue mich sie nach dem Wochenende wiederzusehen, bin aber etwas nervös, dass Aia und Asma noch sauer sein könnten. Schließlich habe ich sie am Samstag ins Bett zerren und festhalten müssen. Danach haben sie nicht mehr mit mir geredet und mir keine gute Nacht gewünscht.

Die Sorgen waren aber überflüssig. Kaum bin ich in der Wohnung kommt Aia aus dem Spielzimmer. „Hi.“ grinst sie mich an und umarmt mich. „Habebe.“ Ich erwidere die Umarmung und sie verschwindet wieder im Spielzimmer. Sie scheinen beschäftigt, also lasse ich sie kurz allein um mir etwas zu trinken zu holen.

Als ich die Tür zur Wohnung wieder öffne herrscht Hochstimmung. Offenbar haben die Mädchen die Fernbedienung die ich wohlweislich versteckt habe wiedergefunden. Mit großen Augen sitzen sie vor dem Fernseher und schauen den Muslimischen Sender mit den schrecklichen Liedern. Von diesen Liedern gibt es nur sechs, die in Dauerschleife den ganzen Tag gesendet werden.

Ich springe zu Aia und versuche ihr die Fernbedienung wegzunehmen. Ihre Hände klammern sich um die Fernbedienung wie ein Schraubstock.

Rachad und Razan, die ich heute noch nicht gesehen habe, kommen auf mich zu und wollen mich umarmen. „Hi, Habebe.“ Mit einem Arm versuche ich die beiden abzuwehren, um gleichzeitig Aia mit dem anderen Arm davon abzuhalten die Fernbedienung wieder an sich zu reißen.

Natürlich gelingt mir das nicht und Aia schiebt die Fernbedienung triumphierend unter ihre Freundin Asma, die sehr schwer ist. Sie lächelt mich unschuldig an, als ob sie sagen wollte. „Und was willst du jetzt tun.“

Langsam reicht es mir. Ich gehe zu Asma und versuche sie von ihrem Platz zu schieben, was so gut wie unmöglich ist, weil Aia sich wieder neben sie gesetzt hat und sich penetrant an ihren Arm klammert, offensichtlich um sie daran zu hindern von mir von der Fernbedienung gezerrt zu werden.

Jetzt reichts mir. Ich setze mein strenges Gesicht. „Challass, Fisch Saki, Fisch Majda. Asma w Aia naughty.“ Aia scheint nicht beeindruckt, doch meine Drohung, dass sie keine Süßigkeiten bekommen und heute nicht zu den Schaukeln dürfen hat Asma zumindest erschreckt. „Sorry.“, murmelt sie, gibt aber nichtmal ansatzweise die Fernbedienung preis.

„Fish Sorry. Challas.“ „Challas.“jammert sie rutscht aber von der Fernbedienung. Rasch nehme ich sie an mich, bevor Aia danach greifen kann und lege sie außerhalb ihrer Reichweite auf den Fernseher.

Aia sieht man an, dass sie gleich anfängt zu weinen und wenn sie sich erstmal ins weinen reingesteigert hat, gibt es keine Hilfe mehr.

Rasch nehme ich sie in den Arm und schlage, trotz meiner Drohung, vor zum Spielplatz zu gehen.

Sofort sind alle wieder glücklich und sobald die drei großen auf ihren Schaukeln sitzen habe ich bis zum Abendessen Ruhe.

Während sie singend schaukeln versuche ich Rachad, der kleinsten ein Paar andere Wörter als Hi beizubringen.

„Say Kif, Halek.“, das heißt wie geht es dir. „Hi“. „La, Kef Halek.“ „Hi“. Ich versuche es langsamer. „Kef...Halek.“ Rachad schaut angestrengt aus und durch die lange Pause werde ich etwas hoffnungsvoller, doch dann grinst sie mich nur an. „Hi.“ Ich gebe es auf und schicke sie zurück zu den Schaukeln. Vielleicht ein andermal.

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Kommentare: 6
  • #1

    Martin Hofmann (Papa) (Dienstag, 06 November 2012 12:52)

    Interessanter und spannender Beitrag! Tja nicht so leicht mit diesen Drohkulissen, Autorität etc. Fühle mich an meine Kinder erinnert. Inzwischen sind die ja zum Glück alle sehr vernünftig :-)

  • #2

    houseofhope-jojo (Dienstag, 06 November 2012 12:56)

    :D Das Problem ist, dass ich noch nicht soviel mit denen reden kann.

  • #3

    Reiner (Mittwoch, 07 November 2012 18:13)

    Als Lehrer verfolge ich solche Auseinandersetzungen auch mit einem gewissen Schmunzeln. Warum sind die Kinder denn eigentlich im House of Hope? Haben sie keine Familie mehr? In welchem Alter verlassen sie das Haus wieder und wohin gehen sie dann? Es ist sicher schwer eine Familie zu ersetzen!

  • #4

    houseofhope-jojo (Mittwoch, 07 November 2012 19:51)

    Hallo Reiner,
    die Kinder, die hier wohnen sind Kinder die unsere Schule besuchen, aber nicht in der Nähe wohnen. Viele Eltern haben auch viele Kinder und sind mit den behinderten Kindern überfordert sind. Die Mädchen werden normalerweise mit 16 zurück in die Familien geschickt. Leider haben wir im Moment kein Geld um uns eine Werkstatt oder so für die Mädchen zu leisten.
    Manche Jungen bleiben länger, vielleicht sogar für immer im House of Hope und arbeiten in unserem Workshop.
    Wir versuchen auf jeden Fall soviel Familie zu ersetzen wie möglich und ihnen vor allem viel Liebe zu geben.

  • #5

    Reiner (Samstag, 10 November 2012 10:05)

    Hallo Johanna,
    Deine Geschichte mit der Post habe ich übrigens in England auch schon mal so erlebt - allerdings im Zug. Dort hat man mich als idiotischen Kraut beschimpft, als mein Gegenüber im Gespräch feststellte, dass ich aus Deutschland komme. Natürlich ist das sehr unangenehm. Ich glaube, dass wir in der Welt oft keinen leichten Stand haben und dass wir in vielen Ländern einfach nur über unsere Vergangenheit identifiziert werden, was aber umgekehrt sicher oft auch nicht anders wäre.
    Noch mal zu Deinen Kindern. Haben sie später Berufschancen? Wie kommen sie ohne das Heim zurecht? Kümmern sich die Familien oder leben sie auf der Straße? Ich kann mir vorstellen, dass man als Erzieher oft an seine Grenzen stößt, wenn man zugleich für Ordnung und für Geborgenheit sorgen soll.
    Du machst auf mich den Eindruck beides mit viel Engagement zu vermitteln. Das werden Dir die Kinder sicher danken! Ich wünsche Dir weiter viel Energie - auch dann, wenn die Anfangseuphorie dem Alltag weicht.
    Viele Grüße
    Reiner

  • #6

    houseofhope-jojo (Samstag, 10 November 2012 10:18)

    Hallo lieber Reiner,
    viele der Jungen die bei uns leben, sind dann ja später auch in unserem Workshop. Mancha haben dann später ihre eigenen Werkstätten aufgemacht. Aber normalerweise sind die Berufschancen eher schlecht. Wir haben jetzt schon einige Familien von ehemaligen Kindern besucht. Viele werden in den Familien aufgenommen. Zum Beispiel die mit Downsyndrom werden meistens auch sehr geliebt und gehen gerne nach Hause. Die die aber sehr schwer behindert sind haben Probleme. Wir versuchen aber dafür zu Sorgen, dass sie wieder bei den Familien aufgenommen werden. Wir haben einen Jungen, der hat hier sehr viel gelernt und hat große Freude daran seiner Mutter im Haushalt zu helfen. Seit dem sie ihn nichtmehr als Last sieht, hat er es einfacher und die Familie hat ihn inzwischen wirklich ins Herz geschlossen.
    Wir versuchen aber uns auch wenn sie nicht mehr bei uns wohnen uns um sie zu kümmern.
    Vielen Dank für deine lieben Kommentare.
    Liebe Grüße

    Johanna